Vor mehr als 800 Jahren wurde eine Königstocher geboren, die bis heute als große Heilige fasziniert: Elisabeth von Thüringen. Einzigartig für ihre Zeit, zeigte und lebte sie, dass Frömmigkeit und Nächstenliebe zusammengehören.
Christlicher Glaube ist undenkbar ohne tätige Nächstenliebe. Was uns heute fast selbstverständlich erscheint, wurde vor 800 Jahren von der Kirche im besten Fall milde belächelt.
Elisabeths Begeisterung für den christlichen Glauben war seit früher Kindheit unübersehbar. Aus der Bibel wusste sie um den inneren Zusammenhang von Frömmigkeit und Nächstenliebe.
Wer Elisabeth verstehen will, muss wissen, dass sie unter dem Einfluss von Franz von Assisi stand. Sie schloss sich der frommen Armutsbewegung an, die vor allem Frauen in ganz Europa ergriffen hat. Ihr Interesse bestand nicht darin, Nächstenliebe in eine große Organisation zu fassen oder gar einen Wohlfahrtsverband zu gründen. Wenn sie heute als Mutter der Diakonie gefeiert wird, dann deshalb, weil sie sich das Herz für die Ärmsten unter den Menschen bewahrt hat. Weil sie sich nicht scheute, sich gerade um die Menschen zu kümmern, die andere schon aufgegeben hatten. In allem, was sie tat, war und blieb sie eine leidenschaftliche Frau, die sich begeisterte für das von Gott geschaffene Leben.
Was wären wir ohne solche Menschen, Frauen und Männer, die nicht abwarten, die nichts und niemanden scheuen. Die nicht zuerst nach dem starken Staat oder dem starken Mann oder der starken Kirche oder wer weiß was rufen. Die einfach aus vollem Herzen und mit wachem Blick zupacken. Die brauchen nicht Elisabeth zu heißen. Sie brauchen keinen großen Namen, um den Anfang zu machen.
Ich denke dabei an die Grünen Damen in den Krankenhäusern, die Besuchsdienste der Kirchengemeinden, die vielen Ehrenamtlichen, die sich in der Bahnhofsmission um Menschen kümmern, die nicht wissen wohin. Menschen mit Herz und Hand, die sich für Wohnungslose einsetzen. Und dann sind da die vielen Namenlosen, die kein Aufhebens davon machen, täglich für die alte Nachbarin einzukaufen oder die Wäsche mitzuwaschen. Die sich um den kranken Kollegen kümmern, bis es ihm wieder besser geht, einfach so. Die es praktisch leben: Ich muss dort hingehen, wo niemand sonst hinkommt.
Wie gut, dass es bis heute Menschen gibt wie Elisabeth, die davon überzeugt sind: Einander besuchen und zuhören, einander helfen und pflegen – das ist die vornehmste, ja das ist die dankbarste Aufgabe der christlichen Kirche.
Ich wünsche Ihnen solche Erfahrungen. Erfahrungen, die zeigen: Einem Menschen sagen: Du gehörst dazu, ich höre dir zu, ich rede gut über dich, ich gehe ein Stück mit dir, ich teile mit dir, ich besuche dich, ich bete für dich.
Pastor Winfried Loik
Seelsorger im St. Marien-Krankenhaus