Siegen. Zu Beginn herrschte am Samstagmittag beim Ökumenischen Friedensgebet für die Ukraine in der katholische Kirche St. Michael in Siegen unangekündigt 45 Sekunden lang Stille. Für die rund 70 Anwesenden eine lange Zeit, man begann sich zu fragen „Was ist denn jetzt?“ oder „Wer hat hier den Einsatz verpasst?“ Dirk Hermann löste als Friedens-Beauftragter des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein die Situation auf: Genau 45 Sekunden lang hätten die Menschen in der ost-ukrainischen Stadt Charkiv Zeit, um nach dem Luftalarm einen Bunker oder Schutzraum aufzusuchen. Auf einmal schienen 45 Sekunden für die Zuhörenden nur noch als unendlich kurze Zeitspanne.
Gestaltet wurde das Friedensgebet außerdem vom Pfarrer im Ruhestand Wolfgang Winkelmann und Gemeindereferentin Irmtrud von Plettenberg aus dem Katholischen Pastoralen Raum Siegen-Freudenberg sowie zwei ukrainischen Pfarrern: Andriy Radyk kommt regelmäßig für Gottesdienste aus Bielefeld nach Siegen und versteht sich als Seelsorger für Menschen aus der Ukraine in Westfalen, Roman Kisil ist Priester der Griechisch-Katholischen Kirche in der Ukraine und arbeitet jetzt in Wissen im Katholischer Kirchengemeindeverband „Obere Sieg“. Auch die Musik für dieses Friedensgebet entstand im deutsch-ukrainischen Miteinander: Dekanatskirchenmusikerin Helga Lange spielte die Orgel, es sang Sopran Olena Slobodyska, die wegen des Krieges derzeit im Siegerland lebt. So erklang auf Ukrainisch unter anderem ein bewegendes Gebet für ihr Heimatland. Aber auch die Gemeinde war zum Singen eingeladen: Bei der lateinischen Bitte um Frieden „Dona nobis pacem“ oder dem Lied „Friede soll mit euch sein — Unfriede herrscht auf der Erde“, das vor mehr als 50 Jahren in Polen entstand, gleichzeitig Nachbarland der Deutschen und der Ukrainer.
Andriy Radyk las den Zuhörenden auf Ukrainisch die Seligpreisungen aus Jesu Bergpredigt vor, Dirk Hermann und Wolfgang Winkelmann sprachen im Verkündigungs-Teil über Tobias Kammerer. Der in Württemberg geborene Künstler hat nicht nur den Kirchenraum der evangelischen Kirche St. Paul im ukrainischen Odesa gestaltet, sondern auch Fenster-Gruppen der Siegener St.-Michaels-Kirche, etwa die im Chorraum mit dem Titel „St. Michael im Kampf mit der Finsternis“. Ganz konkret blickten die Männer aus Siegen auf das Altarbild aus St. Paul, das Jesu am Kreuz vor zwei riesigen Blutstropfen zeige, die sich in Blüten verwandelten, denn sie waren sicher: „Das Schreckliche hat nicht das letzte Wort.“
Der erste Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine als Anlass des Friedensgebets führte jetzt in Siegen eine Gemeinde aus verschiedenen Menschen und Konfessionen zusammen, die in ganz unterschiedlichem Maß vom Krieg in der Ukraine betroffen waren. Aber es einte sie die Überzeugung, dass Beten hilft, und der Wunsch nach Kraft, die einem friedliche Gemeinschaft schenkt. Regelmäßige Friedensgebete gibt es auch weiterhin — fernab von Jahrestagen — zwischen Burbach und Girkhausen an einigen Orten in Siegerland und Wittgenstein.
Bild oben: Irmtrud von Plettenberg, Andriy Radyk, Dirk Hermann, Roman Kisil und Wolfgang Winkelmann (von links) gestalteten jetzt das Ökumenische Friedensgebet für die Ukraine in der katholischen Kirche St. Michael in Siegen.
Bild unten links: Neben anderen Kirchen-Besucherinnen und ‑Besuchern waren auch zahlreiche Menschen aus der Ukraine dem Team dankbar, dass das Ökumenische Friedensgebet in der katholischen Kirche St. Michael in Siegen organisiert und gestaltet hatte.
Bild unten rechts: Roman Kisil, Andriy Radyk, Dirk Hermann, Wolfgang Winkelmann und Irmtrud von Plettenberg (von links) gestalteten das Ökumenische Friedensgebet für die Ukraine in der katholischen Kirche St. Michael in Siegen.