Mit einem feierlichen Hochamt hat die Gemeinde St. Marien (Pfarrei St. Johannes der Täufer) in der Siegener Oberstadt ihr Patronatsfest begangen. Der Bau der ursprünglichen Jesuiten-Kirche, heute älteste katholische Kirche in Siegen, begann im Jahr 1700. Ihre Konsekration fand am 16. Oktober 1729 statt und sie wurde unter das Patronat Mariä Himmelfahrt gestellt. Dieses Hochfest wird in der Katholischen Kirche alljährlich am 15. August gefeiert. In der Kirche an der Löhrstraße, die 1944 im Zuge der Bombardierungen Siegens bis auf die Grundmauern niederbrannte, befinden sich mehrere Mariendarstellungen, so auch ein Fenster der Benediktinerin Ehrentrudis Trost aus dem Jahre 1969, welches die Szene der Himmelfahrt Mariens zeigt, und eine Holzmadonna von Peter Terkatz (1952).
In seiner Predigt (zum Nachlesen angehängt) hob Pfarrer Dechant Karl-Hans Köhle die Bedeutung des Festes für das Leben der Menschen hervor. Was an Maria geschah, das sei die Hoffnung für jeden Menschen: Leben bei Gott nach unserem Tod. Der Tod sei „Transitus“, Übergang zum neuen Leben. Während der Messe wurde für die Opfer der jüngsten Naturkatastrophen ebenso gebetet wie für einen „neuen Schwung, das Evangelium zu verkünden.“
Im Anschluss an die Festmesse lud das Gemeindeteam zum Umtrunk auf dem Kirchplatz ein. Der Erlös in Höhe von 350,00 € kommt den Hochwasseropfern in NRW und Rheinland-Pfalz zugute.
Predigttext
Was Gott mit uns allen vorhat
Homilie zum Patronatsfest Mariä Himmelfahrt
St. Marien Oberstadt, 15. August 2021
„Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Gott offenbartes Dogma, dass die unbefleckte, allzeit jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“
Mit diesen offiziellen Worten verkündete Papst Pius XII. am 1. November 1950 das Dogma, dass Maria mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde. Im Unterschied zu Jesu Himmelfahrt (vgl. Lk 24,50–53 und Apg 1,9–11: „Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.“) finden wir über eine Aufnahme Mariens in den Himmel nichts in der Bibel. Man weiß auch nicht, wo sie nach ihrem Tod begraben wurde.
Der Verkündigung eines Dogmas, also einer Glaubenswahrheit, geht immer eine Glaubenspraxis voraus, bzw. eine theologische Diskussion und das liturgische Feiern dieses Ereignisses. So verbreitete sich die Überzeugung, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, bereits ab dem 5. Jahrhundert nach Christus im Osten. Das Fest „Mariä Himmelfahrt“, richtiger das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, ist in der Ostkirche bald nach dem Konzil von Ephesus (431) aufgekommen. Von Kaiser Mauritius (582 – 602) wurde der 15. August bereits als staatlicher Feiertag anerkannt. In der römischen Kirche wird das Fest seit dem 7.Jahrhundert gefeiert.
Das Dogma bestätigte also nur die christliche Glaubensüberzeugung: Maria wurde am Ende ihres Lebens ganz und ungeteilt zu Gott aufgenommen. Sie ist bei Gott – mit allem, was sie im irdischen Leben ausgemacht hat. Sie ist das Bild des erlösten Menschen.
Maria – dargestellt in 1000 Bildern, auch hier in unserer Oberstädter Marien-Kirche: in der monumentalen Kreuzigungsgruppe: gemeinsam mit Johannes, dem „Lieblingsjünger“, war sie bis unter das Kreuz gefolgt, im Unterschied zu vielen anderen, die geflohen sind. Und musste den qualvollen Tod ihres Sohnes miterleben. Welch ein Schmerz einer Mutter!
Maria: wir finden Sie auch als Madonnenfigur hier vorne am Aufgang zum Altar. Und wir finden sie und die Abbildung ihrer Aufnahme in den Himmel in einem unserer Kirchenfenster: eine Hand – die Hand Gottes – zieht sie in den Himmel. Wir beten dieses Glaubensgeheimnis auch in einem Gesätz des Rosenkranzes: „…der dich, o Jungfrau, in den Himmel aufgenommen hat“.
Das Dogma von 1950 – es ist das jüngste und vorerst letzte Dogma der Kirche — müssen wir gewiss auch vor dem Hintergrund der „marianischen Epoche“ betrachten: die Zeit von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gilt als „Marianisches Jahrhundert“. In diesen Jahrzehnten erlebte die Marienfrömmigkeit in der katholischen Kirche Europas einen enormen Aufschwung. Prägend wirkten die Marienerscheinungen in den französischen Orten La Salette (1846) und Lourdes (1858, als sie dem jungen Mädchen Bernadette Soubirous erscheint) sowie im portugiesischen Fatima (1917), die allesamt große Massen von Gläubigen und Neugierigen anzogen.
Was hat das Dogma mit uns zu tun?
Viel entscheidender als die historischen und theologischen Hintergründe der Entstehung dieses Dogmas ist aber wohl die Frage: Was hat es mit mir zu tun?
Maria ist das Bild des erlösten Menschen. In Maria sehen wir, was GOTT mit jedem von uns vorhat, bzw. was ER jedem von uns zugedacht hat: Mit Leib und Seele in den Himmel eingehen.
Auch wir sollen auferstehen zum ewigen Leben bei Gott, wenn Jesus Christus in Herrlichkeit wiederkommt als Richter der Lebenden und der Toten. (vgl. die „Gerichtsrede“ Jesu in Mt 25). Dann wird ein jeder Mensch, der in der Liebe Gottes gestorben ist, mit einem verherrlichten, verwandelten, verklärten Leib eingehen dürfen in die himmlische Seligkeit!
Es wird keine Krankheit mehr geben, kein Leid und keine Traurigkeit, wie wir das in einem unserer Hochgebete für Kindermessen beten. Inmitten der Schar der Engel und Heiligen werden auch wir einziehen dürfen ins himmlische Jerusalem.
Maria macht uns also vor, bzw. Gott macht es uns vor in Maria, was wir alle erwarten dürfen.
Gerade jetzt, wo so viel vom Schrecken des Todes die Rede ist: Tote durch und mit Covid-19, Tote durch die Hochwasserkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz und durch andere Naturkatastrophen, da tut die Botschaft des Hochfestes der Aufnahme Mariens in den Himmel gut. Denn sie bringt eine Botschaft der Hoffnung gegen alle Resignation, eine Botschaft des Lebens gegen die Macht des Todes. So verkündet die Kirche es bei jedem Seelenamt, bei jeder Beerdigungsfeier: der Tod ist „Transitus“ zu neuem Leben, wir fallen nicht in ein dunkles Loch nach unserem irdischen Leben. Wir alle gehen auf den Tod zu und dürfen in der Hoffnung sein, dass wir ewig leben werden.
Mit dem Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel stimmen wir in den Lobgesang auf die Größe Gottes ein – wir haben im Evangelium ihr wunderbares Magnificat gehört, das sie anstimmt, als sie ihre Cousine Elisabeth besucht und die beiden Söhne Jesus und Johannes sich im Bauch ihrer Mütter zum ersten Mal begegnen — und feiern wir ein Fest der Lebensfreude, auch wenn wir uns bewusst sind, dass wir mitten im Leben vom Tod und zerstörerischen Kräften umgeben sind.
Die Hoffnungsbotschaft lässt uns dann auch anpacken, uns schon hier im irdischen Leben und für Gerechtigkeit und Liebe einzusetzen, für eine Verbesserung der Verhältnisse. Denn unsere Botschaft vom jenseitigen Leben ist keine „Vertröstung“ auf ein besseres Leben nach dem Tod, sondern Ansporn, schon hier und jetzt eine bessere Welt zu schaffen. In Erwartung der zukünftigen, himmlischen Welt, die uns verheißen ist.
Wie Maria wird Gott auch uns mit Leib und Seele an einen sicheren Ort – wo und wie auch immer dieser sein kann – heimholen.
AMEN.